24.06.2024
Die wichtigsten DIN Normen im Übersetzungsprozess
Die Übersetzungsbranche profitiert von einer Vielzahl an Normen, die hohe Standards an die Beteiligten richten, denn diese Normen sind entscheidend, um konsistente und hochwertige Übersetzungen zu gewährleisten. In diesem Beitrag bieten wir eine umfassende Sammlung der wichtigsten Normen, die in den verschiedenen Phasen der Texterstellung und -übersetzung, aber auch der Terminologiearbeit Anwendung finden.
Maßgeblich für die Arbeit von Übersetzer:innen, Redakteur:innen und Terminolog:innen sind Normen. Sie setzen Maßstäbe und sind wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber:innen und Dienstleistern, aber auch für Tool-Hersteller und für die Ausbildung der Nachwuchskräfte, etwa an Universitäten.
Normenlandschaft Texterstellung, Übersetzung und Evaluierung (oneword GmbH)
Normen in der Texterstellung
Die Erstellung von Texten markiert den Anfang des Redaktions- und Übersetzungsprozesses. Hierfür stellen verschiedene Normen eine barrierefreie, leicht zu übersetzende und gut verständliche Textgrundlage sicher. Auch Formvorgaben für bestimmte Textgattungen wie Gebrauchsanleitungen oder Richtlinien für branchenspezifische Kommunikation geben Orientierung für Auftraggeber:innen und Redakteur:innen. Insofern sie bei der Texterstellung oder beim Präeditieren der ausgangssprachlichen Inhalte involviert sind, sind diese Normen auch für Übersetzungsdienstleister und nicht zuletzt auch für Tool-Hersteller relevant. Wir listen im Folgenden die Normen für Texterstellung auf, die engen Bezug zur Übersetzung haben.
Übersetzungsgerechtes Schreiben: DIN 8579
Texte, die schon bei der Erstellung auf übersetzungsgerechtes Schreiben ausgelegt sind, vermeiden Fehler und reduzieren die Übersetzungskosten und -aufwände. DIN 8579 schafft die Grundlage für die Erstellung übersetzungsgerechter Texte. Die Norm macht Vorgaben zur Formatierung, Terminologie, Grammatik, Satzbau und zu Dateiformaten oder Referenzmaterial. Wir haben uns in unserem Blogbeitrag zu DIN 8579 ausführlich mit den positiven Auswirkungen von übersetzungsgerechtem Schreiben in der Praxis beschäftigt. Auf Grundlage der deutschen Norm DIN 8579 ist derzeit eine internationale Norm (ISO AWI 18968) unter der Co-Projektleitung unserer Fachleitung Qualitätsmanagement, Eva-Maria Tillmann, in Arbeit.
Branchen- und produktspezifische Normen am Beispiel von Maschinenrichtlinie, Medizinprodukteverordnung und DIN EN IEC/IEEE 82079-1
Für unterschiedliche Branchen gibt es spezifische Vorgaben für die Gestaltung und Formulierung von Textgattungen. Für Maschinenhersteller und -betreiber ist die Maschinenrichtlinie besonders relevant. Sie verpflichtet dazu, die Betriebsanleitung in der Amtssprache des Mitgliedstaats bereitzustellen, in dem die Maschine in Betrieb genommen wird. Die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) umfasst zahlreiche Regularien für medizinische Produktinformationen und deren Übersetzung. Dabei steht die technische Übersetzung im Mittelpunkt und verlangt eine kontinuierliche Aktualisierung der Inhalte. Ähnlich wie bei der Maschinenrichtlinie müssen die begleitenden Informationen des Produkts in der Amtssprache des Landes verfügbar sein, in der das Produkt angeboten wird.
DIN IEC/IEEE 82079-1 formuliert die Anforderungen an Gebrauchsanleitungen und hat die Minimierung von Gebrauchsrisiken als Ziel. Die Norm verpflichtet dazu, einen Übersetzungsprozess zu definieren und diesen gemäß der Vorgaben umzusetzen. Sie bildet ein Rahmenwerk für verständliche und einheitliche Nutzungsinformationen und empfiehlt Übersetzungsprozesse nach ISO 17100. Details zu dieser Norm und zu den Anwendungsmöglichkeiten von maschineller Übersetzung und Posteditieren (MTPE) für technische Texte haben wir in einem Blogbeitrag zur DIN IEC/IEEE 82079-1 ausgeführt.
Einfache Sprache: DIN ISO 24495-1 und DIN 8581-1
2023 erschien die Norm DIN ISO 24495-1 für Einfache Sprache und standardisierte die Erstellung von verständlichen Texten in Bereichen der öffentlichen Verwaltung und Unternehmenskommunikation. Sie schafft damit ein klares, gemeinsames Verständnis darüber, was Einfache Sprache ist und wie man sie umsetzen kann. Im April 2024 wurde eine weitere Richtlinie veröffentlicht, die die erste noch erweitert: DIN 8581-1 konkretisiert die allgemeinen, international gültigen Empfehlungen für die Anwendung in der deutschen Sprache. Empfehlungen für Satzlänge, Satzstruktur und Zeitformen vervollständigen die bestehende DIN-Norm.
Normen in der Terminologiearbeit
Terminologiedatenbanken und Terminologiearbeit sind das Grundgerüst für eine konsistente Fachsprache in der Übersetzung. Der Aufbau und die Nutzung von Terminologiedatenbanken unterliegen grundlegenden DIN-Normen. Mit diesen vertraut zu sein, ist nicht nur für Auftraggeber:innen von Terminologiearbeit wichtig, sondern ganz besonders für Übersetzungsdienstleister und Tool-Hersteller.
Grundsätze der Terminologiearbeit und Terminologiestrategien: DIN 2330 und ISO 29383
DIN 2330 kann als absolute Grundlagennorm für Terminologiearbeit gelten. Von Begriffen und ihren Beziehungen, unterschiedlichen Definitionsarten und Anforderungen an gute Definitionen bis zu Benennungen und ihrer Bewertung deckt die Norm alle zentralen wissenschaftlichen Grundlagen ab. Mit der praktischen Umsetzung in Form von Leitlinien und Methodik für die Umsetzung einer Terminologiestrategie beschäftigt sich ISO 29383 (derzeit nur auf Englisch verfügbar), die damit Rahmenbedingungen für die systematische Erarbeitung eines Terminologiesystems liefert. Dabei werden verschiedene Szenarien und Schlüsselkonzepte des Terminologiemanagements beschrieben und die Anwendung in der Praxis erläutert.
Regeln für Begriffe und Benennungen: DIN 2331 und DIN 2340
Nach den beiden allgemeinen Grundsatznormen geben DIN 2331 und DIN 2340 klare Regeln für die beiden zentralen Akteure der Terminologiearbeit vor: Begriffe und Benennungen. DIN 2331 befasst sich mit dem Aufbau von Begriffssystemen und der grafischen Darstellung der Beziehungen zwischen Begriffen. Die Norm bildet damit die Basis für die Verständigung zwischen verschiedenen Fachbereichen und die Abbildung strukturierten Wissens. DIN 2340 legt mit vielen Beispielen Grundsätze bei der Bildung von Kurzformen für Benennungen und Namen in der deutschen Sprache fest. Sie ist damit ein wertvoller Leitfaden für regelbasierte Benennungsbildung und damit eine Grundlage für eine konsistente Terminologiearbeit.
Management von Terminologiedatenbanken: DIN ISO 26162 (Teil 1-3) und ISO 12616-1
Um die erarbeitete Terminologie sinnvoll zu verwalten, führt kein Weg an einer Terminologiedatenbank vorbei.
Die Normenreihe DIN ISO 26162 beschäftigt sich mit dem technischen Aufbau von Terminologiedatenbanken und ist in drei Teile gegliedert: Design, Software und Inhalt. Teil 1 legt die allgemeinen Prinzipien bei der Erstellung und Gestaltung von Terminologiedatenbanken fest. So kann ein Höchstmaß an Effizienz und Qualität über verschiedene Datenbanken und Modelle sichergestellt werden. Teil 2 befasst sich mit der Software hinter dem Prozess. Sie bestimmt einheitliche Merkmale, die alle Terminologieverwaltungssysteme erfüllen müssen, auch wenn unterschiedliche Programmierungsgrundlagen, Benutzeroberflächen oder Datenmodelle vorliegen. So kann ein einheitlicher Umgang mit den Terminologiedaten garantiert werden. Teil 3 beschäftigt sich mit dem digitalen Inhalt der Terminologiesysteme. Die Norm umfasst wichtige Aspekte zur Datensammlung und Datengenauigkeit, sowie Vorgaben zur Designkonformität zwischen den Datensätzen, um eine hohe Datenqualität innerhalb der Systeme sicherzustellen.
Explizit ausgelegt auf vielsprachige Kommunikation, regelt ISO 12616-1 (derzeit nur auf Englisch verfügbar) die Anforderungen an Terminologiedatenbanken mit zwei- oder mehrsprachigen Inhalten. Sie befasst sich mit den nötigen Aufgaben, Fertigkeiten, Prozessen und Technologien in der Arbeit mit übersetzungsorientierten Terminologiedatenbanken.
Normen für den gesamten Übersetzungsprozess
Nach der Texterstellung und dem Aufbau eines Terminologiemanagements folgt die Übersetzung der Inhalte. Die Übersetzungsarbeit beginnt immer mit der Vorbereitung und Beauftragung auf Auftraggeberseite, für die es seit kurzem eine eigene ISO-Norm (ISO 11669) gibt. Die Übersetzungsprojektspezifikationen sind Grundlage für Qualität und die Gestaltung des Übersetzungsprozesses auf Dienstleisterseite, für die es wiederum eigene Normen gibt. Zum Abschluss des Projektes werden dann Richtlinien relevant, die sich mit der Evaluierung von Übersetzungen auseinandersetzen.
Allgemeine Richtlinien zu Übersetzungsvorhaben: ISO 11669
An der Planung und Vorbereitung von Übersetzungsprojekten sind maßgeblich die Auftraggeber:innen und involvierte Sprachdienstleister beteiligt. ISO 11669 (derzeit nur auf Englisch verfügbar) hilft dabei, Anforderungen an Übersetzungsprojekte zu identifizieren und ermöglicht eine reibungslose Beauftragung. Denn nur bei klar definierten Anforderungen können die Prozesse und Qualitätssicherungsmaßnahmen justiert und die gewünschte Qualität erreicht werden. Wir haben uns in einem Blogbeitrag näher mit dieser Norm beschäftigt, an deren Erstellung oneword beteiligt war. Die deutsche Fassung DIN ISO 11669 ist in Arbeit und wird voraussichtlich Ende 2024 erscheinen
Anforderungen an Übersetzungsdienstleistungen: DIN EN ISO 17100 und DIN ISO 18587
Die für die Übersetzungsbranche wohl grundlegendste Norm DIN EN ISO 17100 definiert Anforderungen an Übersetzungsprozesse, die zum Ziel haben, die Spezifikationen der Auftraggeber:innen (die z. B. mithilfe von ISO 11669 identifiziert wurden) im Hinblick auf Übersetzungen einzuhalten. Die Inhalte der Norm haben somit entscheidende Auswirkungen auf die Qualität von Übersetzungen. Wie die Norm für die bestmögliche Qualität von Übersetzungsdienstleistungen sorgt, haben wir in einem eigenständigen Beitrag ausgeführt. ISO 17100 wird voraussichtlich ab 2025 überarbeitet.
Kommen statt Menschen Maschinen bei der Übersetzung zum Einsatz, gelten die Richtlinien aus DIN ISO 18587 für das Posteditieren maschineller Übersetzung. Die Norm sorgt für maximale Transparenz und Qualität beim Posteditieren maschinell erstellter Übersetzungen und hebt sie durch hohe Standards auf ein vergleichbares Niveau mit Humanübersetzungen.
Wie die beiden Normen zueinander in Beziehung stehen, haben wir in einem Blogbeitrag ausführlich beleuchtet. Auch ISO 18587 wird derzeit überarbeitet, die Veröffentlichung ist für 2026 geplant.
Allgemeine Leitlinien für die Evaluierung von Übersetzungen: DIN ISO 5060
Für die Evaluierung von Übersetzungen gibt es Richtlinien, die für die Auftraggeberseite, aber auch für Übersetzungsdienstleister relevant sind. DIN ISO 5060 bietet einen objektiven Urteilsrahmen für die Bewertung gelieferter Übersetzungen. Sie setzt beispielsweise voraus, dass Evaluierungen unabhängig von Prüfer:innen reproduzierbar sein müssen. So können Auftraggeber:innen fundiert die Gesamtleistung von Humanübersetzer:innen, aber auch maschinelle Übersetzungsergebnisse einschätzen. oneword war als Mitglied des zuständigen DIN-Gremiums an der Erarbeitung dieser Norm beteiligt. Wir haben die Norm anlässlich ihrer Veröffentlichung im Februar 2024 ausführlich im Blog erläutert.
Fazit: Gemeinsame Grundlagen für höchste Qualität
Die Kenntnis und Einhaltung der relevanten Normen sind essenziell für qualitativ hochwertige Übersetzungs- und Terminologiearbeit. Sie helfen allen Beteiligten dabei, Prozesse zu standardisieren, Qualität zu sichern und auf Grundlage vereinbarter Anforderungen zu arbeiten. Daher sollten sowohl Übersetzer:innen als auch Auftraggeber:innen und Dienstleister mit diesen Normen vertraut sein. Nur so können bestmögliche Übersetzungen entstehen, die den Anforderungen der Auftraggeber:innen gerecht werden.
In einem weiteren Blogbeitrag beleuchten wir die Bedeutung von Übersetzungsprojektspezifikationen als verbindendes Element und die zentrale Rolle, die sie in der Normenlandschaft spielen.
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