17.06.2024

Quality Time mit Dr. Carmen Canfora: Karriere in der Sprachbranche

Es ist wieder Quality Time. In einer neuen Episode unserer Expertengespräche hat sich Nicole Sixdorf, Fachleitung People & Culture bei oneword, mit Dr. Carmen Canfora, Dozentin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, unterhalten. Ergeben hat sich daraus ein spannender Austausch über die Karrieremöglichkeiten in der Übersetzungsbranche und den hohen Stellenwert von Projektmanager:innen bei der Erstellung von qualitativ hochwertigen Übersetzungen.

Dr. Carmen Canfora ist Risikomanagement-Beraterin bei den RisikoScouts und bildet als Dozentin für Translationswissenschaften an der Universität in Germersheim die nächsten Generationen an Übersetzer:innen und Sprachexpert:innen aus. oneword ist regelmäßig zu Gast bei den Praxistagen der Universität Germersheim, wie auch in diesem Jahr, und gibt Studierenden Einblicke in den Alltag eines ISO-17100-zertifizierten Sprachdienstleisters.

Quality Time Karriere: Dr. Carmen Canfora und Nicole Sixdorf

Dr. Carmen Canfora (Universität Germersheim/RisikoScouts) und Nicole Sixdorf (oneword GmbH)

Nicole Sixdorf (NS): Ich freue mich, dass wir uns heute über das Thema Karriere in der Übersetzungsbranche unterhalten können und damit einen Blick auf die Personen wagen, die hinter den Wörtern und Sätzen einer Übersetzung stecken. Gefühlt gibt es in unserer Branche so viele Karrieremöglichkeiten wie Sprachen auf der Welt. Denn Texte tauchen überall in unserem Leben auf und dementsprechend sind die Möglichkeiten für ausgebildete Übersetzer:innen und Sprachexpert:innen schier unbegrenzt. Ein Karriereweg ist beispielsweise das Projektmanagement von Übersetzungen. Bei uns am Standort Böblingen ist genau das unser Kernstück – wofür sozusagen unser Herz schlägt (lacht). Das führt mich direkt zu meiner ersten Frage. Du bist ja Dozentin in Germersheim im Fachbereich Translation, Sprach- und Kulturwissenschaften. Welchen Stellenwert nimmt das Projektmanagement in der beruflichen Laufbahn von jungen Übersetzer:innen überhaupt ein?

Dr. Carmen Canfora (CC): Erst einmal vielen Dank für eure Einladung! Ich freue mich sehr, dass wir Gelegenheit haben, auch einmal über die Ausbildungsseite zu sprechen und dass ich diese vertreten darf. Zu deiner Frage haben wir vor einigen Jahren sogar eine Absolventenstudie durchgeführt. Wir haben festgestellt, dass doch sehr viele unserer Absolventinnen und Absolventen im Projektmanagement landen. Das war für uns Anlass, das Thema Projektmanagement viel stärker in unsere reformierten Bachelor- und Master-Studiengänge einzubeziehen.

NS: Projektmanager:innen müssen im Übersetzungsalltag ein sehr vielfältiges Set an Fähigkeiten beherrschen, um Übersetzungsprojekte sprach-, kultur- und länderübergreifend effektiv koordinieren zu können. Dazu kommen Qualitätskontrollen, die professionelle Bedienung der Übersetzungstechnologie, die Erfüllung von Kundenerwartungen und das alles natürlich in immer engeren Deadlines. Dadurch ergibt sich für uns bei oneword ein sehr anspruchsvoller Ausbildungsstandard. Unsere Allround-Projektmanager:innen sind die zentrale Schnittstelle im Übersetzungsprozess. Wirken sich diese Anforderungen auch auf euren Studienplan aus?

CC: Das ist tatsächlich ein ganz wichtiges Thema für uns und wir haben deswegen das Projektmanagement fest in unseren Modulhandbüchern verankert. Wir haben sogar explizit Lehrveranstaltungen, bei denen es rein um das Übersetzungsprojektmanagement geht. Ein gutes Projektmanagement ist einfach wichtig. Hinzu kommen natürlich viele Kompetenzen des Projektmanagements, die wir in anderen Lehrveranstaltungen mitgeben. Durch die Stärkung der Übersetzungskompetenzen stärkt man auch gleichzeitig viele Projektmanagementkompetenzen, auch wenn nicht unbedingt immer Projektmanagement dran steht.

NS: Du sagst also, dass es gewisse Kompetenzen gibt, die sich unterscheiden, aber auch manche, die sich im Übersetzen und im Projektmanagement gleichen. Wie würdest du die Unterschiede für Berufseinsteiger:innen, die zwischen Projektmanagement und Übersetzung schwanken, definieren? Vielleicht kannst du an bestimmten Beispielen und Kernkompetenzen festmachen, was die Schwerpunkte aus deiner Sicht sind?

CC: Also ich denke, dass es im Projektmanagement besonders wichtig ist, ein gesamtes Projekt mit allen Akteuren im Blick zu behalten und es effektiv zu organisieren. Organisationstalent ist da eine ganz zentrale Fähigkeit. Es gibt einfach Leute, die sind dafür begabt. Zusätzlich müssen sie natürlich neben den ganz typischen Übersetzungstools, die man bei uns lernt, auch noch andere Werkzeuge beherrschen. Sie sollten wissen, was ein Kanban-Board oder Gantt-Diagramme sind und sich mit Sprachdatenmanagement auskennen – also wofür Metadaten da sind und wie sie eingesetzt werden. Was meiner Meinung nach im Projektmanagement oft unterschätzt wird, ist der korrekte Umgang mit den Übersetzungstools im gesamten Prozess. Nicht nur die Anwendung des Werkzeugs, sondern auch die Konfiguration für die verschiedenen Sprachen und Aufgaben. Das habe ich als Freiberuflerin oft selbst erlebt. Wenn z. B. die Einstellungen von Qualitätssicherungstools nicht richtig waren, musste ich eine endlose Liste an False-Positives abarbeiten – das war schrecklich (lacht).

NS: Das ist ein gutes Beispiel dafür, warum ein breit aufgestelltes Projektmanagement in der Übersetzung so wichtig ist.

CC: Ja, und es kommen noch weitere Bereiche hinzu wie mein Lieblingsthema Projektrisiken – ein sehr wichtiges Gebiet für das Projektmanagement. Ich muss Projektrisiken identifizieren, diese analysieren können und wissen, wie ich sie behandeln kann. Und dann haben wir natürlich auch viele Kompetenzen, die sich überschneiden: Zeitmanagement muss man in beiden Berufen beherrschen und Prioritäten setzen können. BWL-Kenntnisse sind wichtig, um Projekte kalkulieren zu können. Und ich finde, ein zentraler Punkt für beide Seiten ist eine klare, verständliche und effiziente Kommunikation. Also eine wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe mit den verschiedenen Akteuren und die Wahrnehmung der verschiedenen Bedürfnisse innerhalb so eines Projekts. Dazu gehört natürlich auch Kritikfähigkeit: Wie bringe ich Feedback so rüber, dass die Person am anderen Ende das auch annehmen kann? Wie fordere ich Feedback ein und wie bringe ich Leute dazu, die Fehler auch anzunehmen?

Ein weiterer zentraler Unterschied zur Arbeit als Freiberuflerin oder Freiberufler ist der Grad an Organisation. Freiberufliche müssen sich zwar auch selbst organisieren können, aber im Projektmanagement jongliert man doch mit sehr viel mehr Bällen gleichzeitig.

NS: Ja, da stimme ich dir absolut zu. Als Projektmanager:in betrachtet man das ganze Übersetzungsprojekt aus einer rausgezoomteren Ebene, von der aus man agiert. Als Übersetzer:in oder auch Revisor:in fokussiert man sich eher auf einzelne Teilaspekte und Aufgaben in einer Sprache, während Projektmanager:innen den Überblick über dutzende Projekte und Sprachen haben müssen, die parallel laufen. Das heißt natürlich nicht, dass nicht beide Aufgaben überaus anspruchsvoll sind. Sie sind eben unterschiedlich. Was du auch schön herausgearbeitet hast, ist die Kombination aus den Hard-Skills, dem Methodenwissen, aber natürlich auch den Soft-Skills, die beide letztendlich gleichermaßen entscheidend für die Übersetzungsqualität sind. Wie siehst du aus der Qualitätsperspektive die Rolle des Projektmanagements? Ist sie eher zentral oder nebengeordnet?

CC: Zuallererst ist natürlich die Kompetenz der Übersetzerinnen und Übersetzer entscheidend für die Qualität. Wenn diese fehlt, dann wird das nichts. Das Projektmanagement spielt allerdings eine ausschlaggebende Rolle dafür, dass die Übersetzungsseite überhaupt in der Lage ist, die bestmögliche Qualität zu erreichen. Das fängt bei der Auswahl der richtigen Personen für das Projekt an und geht weiter, indem sie das Projekt solide planen und kalkulieren, mit den Kundinnen und Kunden über die Voraussetzungen und Projektspezifika sprechen und vorbereitend Terminologien in Datenbanken sammeln und bereitstellen. Ich finde, sie müssen vor allem in der Lage sein, Rückfragen von Übersetzerinnen und Übersetzern effektiv und effizient zu managen. Dieses „Rückfragenmanagement“ halte ich für einen ganz zentralen Punkt. Im Projektmanagement muss man den Übersetzerinnen und Übersetzern den Rücken freihalten, damit sie in Ruhe und ordentlich arbeiten können. Diese Rolle und die Relevanz des Projektmanagements vermitteln wir den Studierenden sehr deutlich. Wir haben Studierende, die können einfach super gut organisieren und planen und für die ist das eine echte Chance. Manchmal kommen Studierende zu mir, weil sie befürchten, dass das Übersetzen doch nichts für sie ist. Wenn man dann zeigt, wie wichtig Projektmanagement für den ganzen Übersetzungsprozess ist, ist das für viele ein Aha-Erlebnis und ein vorher unbekannter Karriereweg. Sie merken, dass sie etwas besonders gut können und es da einen Beruf gibt, der dazu wirklich passt.

NS: Ich kann mir gut vorstellen, wie die Augen anfangen zu leuchten. (lacht) Vielen sind die unterschiedlichen Berufswege gar nicht so bekannt. Das zeigt aber auch, wie breit die Übersetzungsbranche aufgestellt ist und welche Rollen und Tätigkeitsbereiche alle zu hoher Qualität beitragen. Aber unabhängig von der Rolle ist das Qualitätsmanagement natürlich essenziell. Wie thematisiert ihr diesen Bereich in euren Studiengängen?

CC: Wir haben Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement zentral in den Studiengängen verankert. Zum Beispiel geht aus unserem Modul „Technologien und Prozesse“ keiner mehr raus, ohne die richtigen Tools dafür kennengelernt zu haben. In jedem Semester gibt es mittlerweile Lehrveranstaltungen zur Revision, zum Post-Editing und sogar zu den Qualitätsnormen, wie ISO 17100 und ISO 18587, aber auch allgemein zum Qualitätsmanagement. Diese Kurse sind Teil des Masterstudienschwerpunkts „Fachübersetzen, KI und Sprachenmanagement“ und führen die Studierenden an komplexeres Qualitätsmanagement heran. Sie zeigen, wie man vorgeht, wenn man viele Beteiligte mit vielen Sprachen, großen Volumina und wenig Zeit hat, damit sie sehen, wie es in der Praxis aussieht. Wir geben aber auch mit, wie wichtig Zuverlässigkeit und Konsistenz sind, damit sich Kundinnen, Kunden und auch Sprachdienstleister darauf verlassen können, dass immer Qualität gewährleistet ist. Dadurch entsteht Vertrauen und das ist bei Übersetzungen ganz fundamental.

NS: Qualität ist bei euch also wie bei oneword ein Herzensthema! Wie ich rausgehört habe, liegt euer Fokus generell auf einer praxisorientierten Lehre?

CC: Ja, genau. Das beste Beispiel ist ein BA-Seminar, das einmal im Jahr stattfindet und auf das wir sehr stolz sind. Wir veranstalten dabei ein Planspiel mit dem Thema „Wie funktioniert eigentlich ein Übersetzungsbüro?“. Die Studierenden können dabei in verschiedene Rollen schlüpfen, zum Beispiel als Projektmanagerin oder Projektmanager, und lernen hautnah, wie sie so ein Projekt zum Laufen und erfolgreich zum Abschluss bringen. Expliziter Teil des Planspiels ist es auch zu lernen, woran Projekte scheitern können. Ich finde, es wird in der Lehre immer noch unterschätzt, wie wichtig es ist, den Studierenden mitzugeben, wie man aus Fehlern lernt und dadurch den Übersetzungsprozess stärken kann. Das Ganze macht immer riesig Spaß, auch wenn es für die Studierenden natürlich viel Stress und etwas ganz Neues ist.

NS: Das finde ich super! Es ist selten, dass in der Realität wirklich alles läuft wie geplant. Und die Fehler können genutzt werden, um die Qualität des Prozesses zu steigern. Das Ganze mal praxisnah in einem Planspiel zu erleben, ist wirklich ein tolles Konzept.
Das Thema künstliche Intelligenz ist ja seit einiger Zeit in aller Munde und wirbelt momentan nicht nur die Übersetzungsbranche auf. Wie geht ihr generell mit dem Thema um? Denkst du, ihr seid zukunftsgerecht aufgestellt?

CC: Wir haben nicht umsonst jetzt schon einen neuen Masterstudiengang mit Translationsschwerpunkt, der KI im Titel hat. Das klassische Fachübersetzen bleibt enthalten, aber integriert mit KI und Sprachenmanagement. Ich denke, wir sind nicht schlecht aufgestellt, was die Zukunftsorientierung angeht. Natürlich haben wir so wie alle ein bisschen das Gefühl „Wow, was für ein Zug kommt denn da gerade angefahren?“ und rast vielleicht auch so an Stellen ganz schnell an einem vorbei. Trotzdem versuchen wir, diese Entwicklungen ganz genau zu beobachten und festzustellen, was wir unseren Studierenden wirklich beibringen müssen. Wir sind in der Gestaltung der Lehrveranstaltungen flexibel, damit wir neue Inhalte schnell umsetzen können, wenn wir sie für wichtig halten. Beispielsweise haben wir Lehrveranstaltungen zu Prompting-Strategien mit ChatGPT für Übersetzungsprojekte eingeführt. Es gibt auch einen Kurs zum Umgang mit Large Language Models und eine KI-Arbeitsgruppe von Kolleginnen und Kollegen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Wir wollen natürlich, dass unsere Studierenden dann auch fit sind für das, was da draußen passiert.

NS: Ja, das ist sehr wichtig, denn KI ist einfach Teil des Alltags geworden. Man kommt nicht mehr drum herum. Abschließend würde mich noch interessieren – weil wir jetzt viel über Veränderungen gesprochen haben – wie sich die Trends bei der Karrierewahl unter den Absolvent:innen gegebenenfalls in den letzten Jahren noch geändert haben?

CC: Unsere Absolventenstudie, die ich anfangs erwähnt hatte, war dahingehend extrem interessant. Wir haben dabei teilweise sehr weit in die Vergangenheit geguckt und gemerkt, dass man früher eher den klassischen Karriereweg „Übersetzerin/Übersetzer“ eingeschlagen hat. Man ist beispielsweise ins Konferenzdolmetschen gegangen oder in die Fachübersetzung. Man konnte sich irgendwie gar nichts anderes vorstellen. Jetzt stellen wir fest, dass seit ungefähr zehn Jahren auch international ein neuer Trend vorherrscht. Von den Studierenden in den Übersetzerstudiengängen landen nur noch 30 bis 40 Prozent in den klassischen Berufen für Übersetzen, Dolmetschen usw. Also da hat sich wirklich sehr viel getan. Und das beobachten wir ganz genau.

NS: Welche neuen Berufsmöglichkeiten haben sich denn für die Studierenden eröffnet?

CC: Viele landen im Bereich Multilingual Marketing oder internationale Unternehmenskommunikation. Ein großer Teil geht auch in die Lokalisierung von Software und Videospielen. Wir waren aber selbst überrascht, wie viele sich für eine Tätigkeit im Projektmanagement entscheiden. Das ist uns erst durch diese Absolventenstudie so richtig bewusst geworden. Das war auch ein Grund für uns, diese drei Bereiche – Unternehmenskommunikation, Lokalisierung und Projektmanagement – ganz bewusst in die neuen Studiengänge zu integrieren. Das Berufsfeld ist so diversifiziert und hat so ein großes Spektrum, dass wir versuchen, die Studierenden im Modul „Orientierung im Berufsfeld“ dabei zu unterstützen, sich in dieser Landschaft an Berufsbildern wie Linguist, Language Manager, Translation Expert bis Language Expert oder eben auch Project Manager für Übersetzungsprojekte zurechtzufinden.

NS: Das bringt uns wieder an den Anfang unseres Gesprächs zurück. Es gibt so viele Karrieremöglichkeiten wie es Sprachen auf der Welt gibt und für alle, die mit Sprache arbeiten möchten, ist etwas dabei. Ich bedanke mich recht herzlich, dass du uns einen Einblick gegeben hast, wie ihr schon im Studium auf die vielfältigen Karrierechancen eingeht und wie ihr den Blick über den Tellerrand der „klassischen Übersetzer:in“ wagt.

CC: Ja, danke auch nochmal von mir. Es war schön, dass ich dabei sein konnte.

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