Expertengespräche über Qualität

24.10.2022

Quality Time: Gespräch mit den RisikoScouts über Reklamationen und wie sie zu vermeiden sind

It’s „Quality Time“! Wir starten unsere neue Reihe von Expertengesprächen zu Themen rund um Übersetzungsqualität und Qualitätsmanagement im Sprachdienstleistungssektor. Zum Auftakt hat sich Eva-Maria Tillmann, Leitung Qualitätsmanagement bei oneword, mit Dr. Carmen Canfora und Angelika Ottmann von den RisikoScouts unterhalten, die Unternehmen zu den Risiken bei Übersetzungen beraten. Im Gespräch ging es um Reklamationen und Auftragsspezifikationen.

Eva-Maria Tillmann (EMT): Herzlich willkommen, Angelika und Carmen. Als RisikoScouts beschäftigt ihr euch mit dem Risikomanagement für Übersetzungen. Also etwa mit der Frage, was passieren kann, wenn Übersetzungen nicht richtig geplant wurden oder Fehler enthalten – was zuweilen katastrophale Auswirkungen haben kann – und wie man damit umgeht. Sprechen wir also über Reklamationen.

Angelika Ottmann (AO): Ein passender Einstieg. Denn alle fürchten sich vor Reklamationen. Dabei sind sie ja immer auch eine Chance, sich zu verbessern. Über die Jahre konnte ich feststellen, dass sehr häufig mangelnde Kommunikation im Vorfeld eines Übersetzungsprojekts die Ursache war.

EMT: Kannst du das an einem Beispiel festmachen?

AO: Einmal hat sich zum Beispiel ein Mitarbeiter eines Kunden beschwert, weil ein ins Englische übersetzter Marketingtext in seinen Augen für die Zielgruppe nicht verständlich sei. Sein Kollege von der amerikanischen Westküste hätte das moniert. Das Unternehmen – ein Stammkunde – forderte aber grundsätzlich britisches Englisch, so dass manche idiomatischen Ausdrücke, vor allem in Marketingtexten, in Amerika unverständlich blieben. Nach Rücksprache mit der Projektleitung stellte sich heraus, dass die Texte in der Regel international verwendet wurden, so dass in der Übersetzung möglichst keine idiomatischen oder regionalspezifischen Ausdrücke vorkommen sollten. Die Vorgaben für alle Englisch-Übersetzungen wurden daraufhin entsprechend geändert und diese Art der Reklamation kam nicht mehr vor.

EMT: Ja, klar, Fehler können immer passieren. Produkte, ob Radios, Verpackungsmaschinen oder Übersetzungen, werden ja von Menschen hergestellt und Menschen machen nun mal Fehler. Auch bei der Übersetzung können also Fehler entstehen. oneword übersetzt, redigiert, lektoriert und posteditiert über 30 Millionen Wörter im Jahr. Da sind null Fehler leider unrealistisch, auch wenn ich mir das anders wünschen würde.

Dr. Carmen Canfora (CC): Genau. Auch wenn man weiß, ich kann es nicht verhindern, ist es trotzdem immer wieder eine Herausforderung, Reklamationen professionell und nicht emotional zu betrachten und daraus zu lernen, wenn wirklich ein Fehler vorliegt. Jede Art von Feedback, auch negatives, ist Gold wert.

AO: Man muss einfach miteinander reden. Wo Menschen arbeiten, werden schließlich immer auch Fehler gemacht. Und dann ist es wichtig, die Fehler zu benennen und zuzugeben, um daraus zu lernen und Maßnahmen zu ergreifen, diese Fehler in Zukunft zu verhindern.

EMT: Auf jeden Fall, man kann immer etwas daraus lernen. Meist auch beide Seiten. Reklamationen sind zwar oft nicht gerechtfertigt, aber dennoch wichtig, weil wir dann besser wissen, was den Kund:innen wichtig ist oder welche Anforderungen wir noch nicht kennen. Nur dann können wir Maßnahmen ergreifen, etwa bei der Auswahl von Übersetzer:innen, bei der Projektdokumentation oder in der Kommunikation.

CC: Da erwähnst du etwas sehr Wichtiges, nämlich Anforderungen an Übersetzungen. Wir kennen das Problem, dass Auftraggeber sich manchmal zu wenig mit dem gewünschten Endprodukt Übersetzung auseinandersetzen, sich also nicht wirklich fragen: „Welchen Zweck muss die Übersetzung erfüllen und was muss dafür bei der Übersetzung beachtet werden?“

AO: Ja, das ist sehr wichtig. Wir müssen uns aber auch klar darüber sein, dass Kunden manchmal auch gar nicht wissen, welche Anforderungen sie stellen können bzw. müssen. Da müssen wir beratend zur Seite stehen. Vielleicht hilft ja eine Analogie aus dem Alltag, um die Wichtigkeit eines eindeutigen Übersetzungsauftrags klarzumachen. Wenn ich ein Steak bestelle, aber nicht sage, dass ich es „durchgebraten“ möchte, erhalte ich es möglicherweise „medium“.

CC: Wir müssen da zwischen den impliziten und den expliziten Erwartungen unterscheiden. Niemand wird daran zweifeln, dass eine gute Übersetzung keine Rechtschreibfehler hat – aber bei der korrekten Fachterminologie weichen die Vorstellungen durchaus voneinander ab.

EMT: Da hast du völlig recht, auch wenn das gar nicht immer so einfach ist. Anforderungen an Übersetzungen ergeben sich manchmal auch erst rückwirkend. In vielen Fällen erst nach einigen fertiggestellten Projekten, weil es aus dieser Erfahrung leichter ist, zu wissen, was man nicht will, als vorab zu wissen, was man will.

AO: Eben deshalb sollten Auftraggeber so oft und so gut es geht Feedback geben. Aus unserer Beratung kennen wir solche Fälle nur zu gut.

EMT: Wie geht ihr damit um?

AO: Lass mich auch das an einem Beispiel festmachen: Ein Auftraggeber beschwerte sich, dass der Übersetzungsdienstleister nicht dieselbe Terminologie verwendet hat, wie sie beim Kunden unternehmensintern verwendet wurde. Dass es Fachterminologie zu beachten gilt, war im Vorfeld aber nicht kommuniziert worden. Die recherchierte Terminologie war zwar korrekt und konsistent verwendet worden – in der Übersetzung war auch kein einziger Fehler –, aber der Kunde war trotzdem total unzufrieden. Das ist natürlich für beide Seiten frustrierend.

EMT: Und so einfach aus der Welt zu schaffen! Kund:innen müssen nur ihre Terminologie zur Verfügung stellen, dann kann eine kundenspezifische Terminologiedatenbank angelegt werden und schon wird in allen Projekten die Terminologie verwendet, die das Unternehmen bevorzugt. Aber bei Reklamationen ist den Kund:innen häufig gar nicht klar, wo denn nun ein Fehler vorliegt.

CC: So ist es ja oft – dass gar kein konkretes Beispiel genannt wird, nur „der Kollege sagt, die Übersetzung ist schlecht, bitte überarbeiten“. Das ist natürlich kein Anhaltspunkt für eine Überprüfung.

EMT: Das gilt natürlich auch für uns, wenn wir Feedback an die Übersetzer:innen weitergeben oder Übersetzungen evaluieren, dann muss das auch konkret und nachvollziehbar sein, mit konkreter Angabe, welche Fehler gemacht wurden bzw. welche Anforderungen nicht beachtet wurden. Und auch hier gilt, dass es vorab schriftlich dokumentiert und kommuniziert worden sein muss.

AO: Damit spannst du gut den Bogen zu den Reklamationen, über die wir zu Anfang sprachen. Was Auftraggeber wie Dienstleister verstehen und umsetzen müssen, ist, dass alle Anforderungen eines Übersetzungsauftrags formuliert und gebrieft werden müssen um von allen Beteiligten verstanden und umgesetzt werden zu können. So detailliert wie möglich. Das mag vielen etwas zeitaufwändig erscheinen. Doch etwas mehr Zeit, die ich aufwende, um ein gemeinsames Verständnis des Auftrags zu erzielen, spart letztlich viel mehr Zeit bei möglichen Reklamationen – wahrscheinlich sogar die Reklamationen selbst.

EMT: Ein schöner Abschluss. Danke euch beiden für das tolle Gespräch.

Angelika Ottmann ist Diplom-Übersetzerin und war über 25 Jahre Geschäftsführerin eines Übersetzungsdienstleisters. Gemeinsam mit Dr. Carmen Canfora ist sie Beraterin für Risikomanagement bei den RisikoScouts, publiziert Artikel und veranstaltet Seminare zu relevanten Themen wie Revision und Evaluierung. Zudem ist sie aktives Mitglied im DIN-Unterausschuss für Übersetzungsdienstleistungen.

Dr. Carmen Canfora ist Diplom-Übersetzerin und Dozentin am FTSK Germersheim. Sie unterrichtet dort Fachübersetzen, Terminologiearbeit, Qualitäts- und Risikomanagement sowie Revision und Post-Editing. Gemeinsam mit Angelika Ottmann berät sie bei den RisikoScouts Kunden zu Übersetzungsrisiken.

Eva-Maria Tillmann ist Diplom-Übersetzerin und leitet den Fachbereich Qualitätsmanagement der oneword GmbH. Sie verantwortet die Zertifizierungen des Übersetzungsdienstleisters nach ISO 17100 und ISO 18587 und arbeitet u. a. mit Angelika Ottmann als Mitglied im DIN-Unterausschuss für Übersetzungsdienstleistungen auch aktiv an der Normung mit.

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