18.03.2024
Relaissprachen in Übersetzung und Review: weil ein „Umweg“ manchmal zielführender ist
Im Zuge der Globalisierung sind Relaissprachen zu einem elementaren Faktor in der mehrsprachigen Übersetzung geworden. Ihre Verwendung ist oftmals notwendig, birgt aber auch einige Risiken. Wir schauen deshalb genauer in die Anwendungsbereiche und erläutern, was zu beachten ist, um sie zielführend und effektiv einzusetzen.
Was ist eine Relaissprache?
Eine Relaissprache – auch Pivot- oder Brückensprache – ist eine Sprache, in die ein Text aus einer Ausgangssprache übersetzt wird und die wiederum als Basis für Übersetzungen in andere Sprachen gilt. Sie dient entweder nur als Referenz, wenn die Ausgangssprache nicht verstanden wird, oder als aktive Mittlersprache, aus der die Übersetzung erfolgt.
Wird die Relaissprache als Mittlersprache verwendet, erfolgen im Grunde zwei Übersetzungen: von der Ausgangssprache in die Relaissprache und von der Relaissprache in die Zielsprache.
Seit wann werden Relaissprachen verwendet?
Bis 2006 war die Menge der verwendeten Sprachen und somit mehrsprachig benötigten Informationen in der Unternehmenskommunikation überschaubar. Waren Anbieter:innen bereits international aktiv, reichten auch in der Technischen Dokumentation zumeist Übersetzungen ins weit verbreitete Englisch und zusätzlich noch in wenige europäische oder asiatische Sprachen.
Mit der Einführung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG der EU wurde es dann für Unternehmen zur Pflicht, eine Betriebsanleitung in der oder den Amtssprache(n) des Mitgliedstaats beizulegen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird.
Unternehmen, die Ihre Maschine beispielsweise in ganz Europa vertreiben, müssen ihre Technische Dokumentation also oft in mehr als 20 Sprachen zur Verfügung zu stellen. Je nach Zielsprache fanden sich zu diesem Zeitpunkt teilweise kaum ausreichend Übersetzer:innen, um Dokumente aus dem Deutschen zu übersetzen.
Auch der zunehmende Eintritt deutscher Unternehmen in den chinesischen Markt markierte eine Zäsur. Denn hier war die Anzahl an Übersetzer:innen, die Fachtexte sicher aus dem Deutschen in die entsprechende(n) Zielsprache(n) übersetzen konnten, ebenfalls eher gering. Viele Unternehmen setzten daher in bestimmten Kontexten auf Englisch als Ausgangssprache für weitere Übersetzungen.
Relaissprachen in der Übersetzung
Relaissprachen kommen im Übersetzungsprozess aus zwei wesentlichen Gründen zum Einsatz. Zunächst einmal, wenn es zu wenig Ressourcen für direkte Sprachkombinationen gibt, insbesondere wenn zwischen zwei wenig verbreiteten Sprachen übersetzt werden soll. Deshalb ist hier auch von Low-Resource-Sprachen die Rede. Hier hilft der Umweg über eine weiter verbreitete und damit ressourcenstärkere Relaissprache.
Außerdem wirkt sich die Ressourcenfrage unmittelbar auf die Kosten aus. Da es zum Beispiel weniger Übersetzer:innen gibt, die von Deutsch nach Thailändisch übersetzen, entstehen für diese Richtung höhere Kosten als für Englisch nach Thailändisch.
Risiken bei der Verwendung von Relaissprachen
So hilfreich Relaissprachen in puncto Ressourcen sind, zeigen sich beim Blick in die Details auch mögliche Risiken.
Da gerade Englisch häufig als Relaissprache verwendet wird, ist die Einteilung von Sprachen in Low-Detail und High-Detail relevant. In High-Detail-Sprachen wie Deutsch oder den romanischen Sprachen wie Französisch und Spanisch sind viele Informationen über die Wortform ablesbar. So gibt es in den romanischen Sprachen beispielsweise Adjektive in männlicher und weiblicher Form – z. B. beau/belle für „schön“ im Französischen oder guapo/guapa im Spanischen. In allen genannten Sprachen gibt es außerdem geschlechtsspezifische Bezeichnungen für Berufe und Tätigkeiten (z. B. Übersetzerin, traductrice). Durch die Verwendung von Englisch – einer Low-Detail-Sprache ohne solche sprachlichen Unterscheidungen – als Brückensprache gehen wichtige Details und Informationen aus der Ausgangssprache verloren. Das Ergebnis wird dann weniger spezifisch. Steht in einem deutschen Ausgangstext beispielsweise „Professorin“, wird dies im Englischen zu „professor“. In der Praxis erfolgt die weitere Übersetzung, zum Beispiel ins Französische, dann grundsätzlich in männlicher Form, da die Geschlechtsspezifik durch die Brückensprache Englisch verloren gegangen ist.
Geschlechtsspezifische deutsche Berufsbezeichnungen gehen bei der Übersetzung in die Relaissprache Englisch verloren. Übersetzer:innen müssen frei entscheiden, welche Bezeichnung in der Zielsprache verwendet wird.
Zudem kann jede Übersetzung auch im Satzbau immer eine Vereinfachung sein. Bei zwei hintereinander geschalteten Übersetzungen besteht also ein höheres Risiko, dass der Zieltext nicht mehr dem Ausgangstext entspricht.
Verwendung von Relaissprachen im Review
Relaissprachen können insbesondere in Korrektur- und Reviewprozessen mit mehreren Beteiligten, zum Beispiel aus unterschiedlichen Länderniederlassungen, sinnvoll zum Einsatz kommen, da eventuell nicht alle externen Prüfer:innen den Ausgangstext bzw. die Ausgangssprache verstehen.
Ohne eine Relaissprache erfolgen die Korrekturen nur im Zieltext und somit häufig „am Text vorbei“. Fehlender Text oder Fehlübersetzungen werden nicht erkannt, weil der Ausgangstext nicht verstanden werden kann. Auch inkorrekte Terminologie fällt somit nicht oder weniger auf, da kein Abgleich mit den ausgangssprachlichen Termini erfolgt.
Wird allerdings eine Relaissprache eingebunden, dient diese den externen Prüfer:innen als Ausgangssprache, mit der sie den zielsprachlichen Text vergleichen können. Idealerweise erfolgt diese Einbindung in einer leicht zugänglichen Anwendung wie unserer Korrektur-Plattform oneReview, in der die Relaissprache sogar als Layoutvorschau angezeigt werden kann. Korrekturen können somit inhaltlich fundiert, effizient und nachhaltig vorgenommen werden.
Auch hier besteht allerdings das Risiko, dass wichtige Details und Informationen aus der Ausgangssprache verloren gehen können. Wenn die Übersetzung in der Relaissprache weniger spezifisch oder gar fehlerhaft ist, multipliziert sich dies auch in den Ergebnissen der Zielsprachen.
Relaissprachen in der maschinellen Übersetzung
Relaissprachen gehören zum Standard in der maschinellen Übersetzung. Denn für viele Sprachkombinationen wäre das Trainingsmaterial für ein direktes Training nicht umfangreich genug. Viele MT-Systeme nutzen daher Englisch als Relaissprache im Hintergrund. In den meisten Sprachkombinationen erfolgt also eine doppelte Übersetzung, zum Beispiel von Deutsch nach Englisch und dann von Englisch nach Tschechisch.
Dies ist nicht nur bei seltenen Sprachen der Fall, sondern auch bei sehr gängigen europäischen Sprachen, weil auch hier das Trainingsmaterial in englischer Sprache deutlich umfangreicher ist als in allen anderen Sprachen.
Neben dem bereits beschriebenen Risiko, dass durch die Nutzung von Englisch als Low-Detail-Sprache wichtige Details und Informationen aus der Ausgangssprache verloren gehen können, besteht auch die Gefahr inhaltlicher Fehler durch Mehrdeutigkeit. Gibt man beispielsweise das Wort „leicht“ in ein MT-System ein und lässt dieses ins Spanische übersetzen, ist das Ergebnis oft „luz“ (= Licht). Hier führt der Umweg über das Englische „light“ also klar auf den Holzweg.
Fazit: Der Zwischenschritt hilft, wenn man ihn richtig macht
Die Verwendung von Relaissprachen kann in vielen Fällen sinnvoll und hilfreich sein, vor allem bei weniger verbreiteten Sprachen oder Sprachkombinationen. Gerade in Reviewprozessen sind Relaissprachen eine wichtige Stellschraube für das Verständnis von ursprünglichen Inhalten und dem entsprechenden Zieltext. Doch die Vorteile der besseren Verständlichkeit dürfen nicht zu Nachteilen in der Spezifik und Korrektheit der zielsprachlichen Ergebnisse führen. Um den Umweg über eine Relaissprache in jeder Hinsicht zielführend zu machen, braucht es die richtigen Tools und Expert:innen, die bei der Einrichtung und Anwendung helfen.
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