26.04.2023

Terminologiearbeit in Medizin und Medizintechnik: nachweislich wirksam und besser verständlich

Die medizinische Terminologie, also die Fachsprache aus Medizin und Medizintechnik, ist eine Sondersprache – und für viele Nicht-Fachleute im Grunde eine Fremdsprache, die es nachvollziehbar einzuordnen und zu übersetzen gilt, wenn sie von allen Beteiligten verstanden werden soll. Wir zeigen auf, welche Faktoren bei der Terminologiearbeit in Medizin und Medizintechnik zu beachten sind und wie wirkungsvoll hilfreich dies in vielerlei Hinsicht ist.

Eigentlich benötigt man bereits für einen deutschen Beipackzettel eine Übersetzung. Den „Bilirubinwert“ kennen zumindest Personen, die in irgendeiner Form von dessen Ergebnis betroffen sind. Aber wüssten Sie, was eine „Eradikationstherapie“ ist oder was ein „selektiver Protonenpumpenhemmer“ bewirkt? Da beide in Zusammenhang einer häufig auftretenden Form der Gastritis stehen, sollten Sie es zumindest schnell verstehen können.

Denn gerade im medizinischen Bereich ist es wichtig, alles zu verstehen, was einen betrifft, um sich sicher und gut informiert zu fühlen. Unsere Gesundheit ist schließlich elementar. Die Realität sieht zumeist allerdings ganz anders aus. Dementsprechend kennen die meisten von uns das Gefühl, den Aussagen des medizinischen Personals in einer Arztpraxis oder im Krankenhaus folgen zu wollen und dabei nur Bahnhof zu verstehen.

Hohe Fachspezifik medizinischer Terminologie

Medizin und Medizintechnik zeichnen sich durch einen hohen Grad an Fachsprachlichkeit aus. Geprägt wird diese durch die Verwendung vieler Fremd- und Lehnwörter, oft auch aus dem Lateinischen oder Griechischen.

Alle Körperbereiche, alle Bestandteile der Anatomie und Physiologie, alle Fachbereiche, alle Krankheiten und ebenso alle Geräte und Apparaturen der Medizintechnik haben fachsprachliche Benennungen – oft aber auch „gängige“ oder zusätzlich noch umgangssprachliche Äquivalente. Diese Synonyme bestehen meist nebeneinander, ihre Verwendung erfolgt zielgruppenspezifisch.

Ein anschauliches Beispiel: Während in einer offiziellen Diagnose sehr wahrscheinlich der Begriff „Hypertonie“ verwendet wird, wird ein:e Mediziner:in der:dem Betroffenen selbst vielleicht eher mitteilen, dass sie:er an Bluthochdruck leidet. Diese:r wird die Diagnose vermutlich mit dem umgangssprachlichen „ich habe hohen Blutdruck“ an Interessierte weitergeben. Im Vergleich dazu würde die allgemeinsprachliche Formulierung „ich leide an Bluthochdruck“ und die fachsprachliche „ich leide an Hypertonie“ lauten.
In anderen Kontexten verhält es sich ähnlich. Bei einer Körpertemperatur knapp unterhalb der Fieberschwelle hat man umgangssprachlich zum Beispiel einfach „Temperatur“ und allgemeinsprachlich „erhöhte Temperatur“, während man medizinisch fachsprachlich als „subfebril“ gilt.

Schnelles und korrektes Verständnis ist elementar

Für eine verständnisorientierte und einfache Kommunikation wichtig und terminologisch interessant ist die Frage: Welche Synonyme gibt es in den verschiedenen Sprachregistern bzw. auf den unterschiedlichen Graden der Fachsprachlichkeit? Wie lautet ein und der gleiche Fakt in der Fachsprache, der Allgemeinsprache und auch der Umgangssprache?

Sinnvoll genutzt werden kann ein solcher Terminologiebestand — auch in Form einer Datenbank – nur, wenn alle Synonyme erfasst und einander korrekt zugeordnet sind. Im Fall einer Datenbank müssten innerhalb eines Eintrags sowohl der fachsprachliche als auch der allgemeinsprachliche und eventuell der umgangssprachliche Terminus stehen. In diesem Zusammenhang wird in Medizin und Medizintechnik auch von „laienhafter Terminologie“ gesprochen, die die Verwendung außerhalb des fachlichen Bereichs meint.

Zielgruppengerechte Ansprache hilft

Die genannte „laienhafte Terminologie“ meint dabei keineswegs „unter einem anzusetzenden Niveau“, sondern sie ist elementar wichtig für das Verständnis und das daraus resultierende Handeln betroffener Laien. Sich im Sinne einer Therapie zu verhalten, ist sicherlich einfacher und zielführender, wenn man versteht, worum es geht.

Wie viel Fachsprachlichkeit jeweils einfließen kann, hängt selbstverständlich auch von der Sprachkompetenz und Vertrautheit der Patient:innen mit ihrem Gesundheitszustand und der Notwendigkeit fachlich präziser Auskünfte ab. Die Terminologie in Medizin und Medizintechnik muss allerdings immer und so gut wie möglich auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet sein.

In einem Fachmagazin für Ärzt:innen können und müssen andere Bezeichnungen verwendet werden als im Kundenmagazin der Apotheke. Auch an anderen Orten, an denen Krankheiten üblich und verständliche Informationen dazu wichtig sind, braucht es die zielgruppengerechte Ansprache. So würde man auf dem Aushang einer Kita sicherlich keinen Hinweis finden, dass aktuell eine Gastroenteritis kursiert, sondern eben „die Magen-Darm-Grippe“ oder auch umgangssprachlich nur „Magen-Darm“.

Terminologie gibt wichtige Orientierung

Wie sehr alle Beteiligten von einer festgelegten Terminologie profitieren, hat die Corona-Pandemie gezeigt. So wurden Fachtermini, die bereits einheitlich und definiert verwendet wurden, schnell in die Allgemeinsprache aufgenommen. Innerhalb weniger Tage verwendete fast jede:r ganz selbstverständlich Begriffe wie Inzidenz oder R-Wert. Auch der anfangs von vielen noch unterschiedlich verwendete Genus von „Virus“ (der oder das) schlich sich zunehmend aus.

Anders verhielt es sich mit neu erschaffener Terminologie wie etwa beim Schutz für Mund und Nase. Da weitgehend undefinierte Bezeichnungen wie „Mund-Nase-Bedeckung“, „Mund-Nase-Schutz“, „Alltagsmaske“ oder auch „Community-Maske“ synonym verwendet wurden, gab es entsprechende Unsicherheit bei der Verwendung und Schreibweise. Wollte man zum Beispiel als Ladenbesitzer:in ein Schild schreiben, das auf das Tragen dieses Schutzes hinweist, musste man sicherlich überlegen und recherchieren, welche Benennung man verwenden wollte. Auch auf Schildern des öffentlichen Nahverkehrs fand man eine Bandbreite an Synonymen. Vielerorts wurde komplett auf die sprachliche Bezeichnung verzichtet und lediglich mit einem Masken-Symbol auf die Vorschrift aufmerksam gemacht.

Hohe regulatorische Anforderungen einhalten

Gerade in Medizin und Medizintechnik ist die präzise und eindeutige Kommunikation in Richtung aller Zielgruppen elementar. Nicht nur für das Verständnis zwischen Expert:innen und Patient:innen bzw. Nutzer:innen, sondern auch, um gesetzliche und regulatorische Vorgaben in verschiedensten Zielmärkten zu erfüllen.

Die Medical Devices Regulation bzw. Medizinprodukteverordnung EU 2017/745 (MDR) umfasst beispielsweise 71 festgelegte Termini in allen europäischen Sprachen und zusätzlich Vorgaben zur einheitlichen Terminologieverwendung. Bei einer Übersetzung von Produktinformationen in weitere Zielsprachen muss klar sein, dass die MDR gilt und die Vorgaben umgesetzt werden müssen. Wird beispielsweise der „klinische Nachweis“ nicht entsprechend der MDR übersetzt, können Probleme bei der Kennzeichnung und Zertifizierung im Zielland auftreten.

Die Zertifizierung der Produkte in einem Land hängt auch von der Einhaltung der jeweiligen Vorgaben und Normen, Leistungs- und Sicherheitsanforderungen ab. Diese nachweislich zu belegen, ist nicht zuletzt eine Frage der korrekten, konsistenten und MDR-konformen Terminologie. Entsprechend notwendig ist, dass die Terminologie kontinuierlich nah am Produkt bleibt und die Dokumentation immer aktuell ist.

Da in Medizin und Medizintechnik per se ein hoher Grad an Fachsprachlichkeit herrscht, ist auch die Terminologiearbeit in diesem Bereich weit fortgeschritten. In den meisten Fällen muss also das Rad für Unternehmen aus dieser Branche nicht neu erfunden werden, weil es aus vielen Kontexten bestehende Terminologievorgaben gibt oder eben die Terminologie von Regularien wie etwa den MDR-Vorgaben gelten. Hier ist die korrekte Nutzung und Einbindung in Texterstellungs- und Übersetzungsprozesse sicherzustellen.

Alle profitieren von definierter und einheitlicher Terminologie

Medizin und Medizintechnik sind ein hoch fachsprachlicher Bereich – gerade hier ist ein korrektes Verständnis immens wichtig. Terminologie ist also nicht nur nice-to-have und ebenso wenig nur gesetzliches Muss, sondern der anzustrebende und mit überschaubarem Aufwand erreichbare Idealzustand. Eine gezielte Terminologiearbeit in Medizin und Medizintechnik ist in unterschiedlichsten Kontexten und auf allen Ebenen von Vorteil.

Einerseits gibt es verschiedene Sprachregister und Zielgruppen, die angesprochen werden, und die besondere Herausforderung, dass neben den fachsprachlichen Elementen auch allgemeinsprachliche und zudem oft umgangssprachliche Äquivalente existieren. Die passende Terminologie zu verwenden, ist hier durchaus Ausdruck von Kompetenz, weil Expert:innen in Medizin und Medizintechnik mit der sprachlich verständlichen Darlegung ihres Erkenntnisstands und Vorgehens zum Beispiel besser überzeugen und eine für Heilungsprozesse notwendige Vertrauensbasis schaffen können.

Andererseits sind gerade Medizin und Medizintechnik ein stark regulierter Bereich, in dem jede kleine Aktualisierung in allen Sprachen nachgezogen und mehrfach geprüft werden muss. Hier ohne professionelles Terminologiemanagement auskommen zu wollen, birgt Risiken, die sich vermeiden lassen.

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